Bestandverträge im Insolvenzverfahren
Nach der Grundregel des § 21 IO gilt für zweiseitige Verträge, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllt sind, dass der Insolvenzverwalter entweder an Stelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten kann. Für Bestandverträge bestehen jedoch spezielle Vorschriften, die diesen allgemeinen Regelungen vorgehen.
Gemeinschuldner ist Bestandnehmer
Ist der Gemeinschuldner Bestandnehmer, kann der Insolvenzverwalter anstelle des Rücktrittsrechts den Bestandvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen oder einer vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist kündigen. Dieses Kündigungsrecht besteht im Konkurs-, Sanierungs- und Schuldenregulierungsverfahren und soll verhindern, dass die Insolvenzmasse durch ein fortbestehendes Dauerschuldverhältnis belastet wird, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten oder den Bestandgegenstand angemessen nutzen zu können.
Die Fortführung eines Bestandvertrags kann aber im Interesse der Insolvenzmasse liegen, etwa um den laufenden Betrieb des Unternehmens zu ermöglichen. Deshalb soll ausschließlich der Insolvenzverwalter entscheiden, ob der Vertrag aufrechterhalten oder beendet wird. Dem Bestandgeber steht daher kein eigenes Kündigungsrecht wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu. Unzulässig ist auch eine vertragliche Auflösungsklausel oder ein vereinbartes Rücktrittsrecht für den Fall der Insolvenzeröffnung. Der Vertragspartner soll an den Vertrag gebunden bleiben; nur die Auflösungsklausel ist unwirksam, nicht der gesamte Vertrag. Dies gilt unabhängig davon, ob der Schuldner ein Unternehmen betreibt und ob dieses fortgeführt wird.
Das Bestandverhältnis bleibt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens somit zunächst unberührt und endet erst mit Wirksamwerden der Kündigung. Bestandzinsrückstände für die Zeit vor der Verfahrenseröffnung kann der Bestandgeber nur als Insolvenzforderung anmelden, während Forderungen für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseforderungen darstellen. Der Insolvenzverwalter kann unter Einhaltung der gesetzlichen oder vereinbarten kürzeren Fristen kündigen; auch befristete Bestandverhältnisse sind kündbar, und nach herrschender Meinung ist der Insolvenzverwalter an vertraglich vereinbarte Kündigungstermine nicht gebunden.
Gemeinschuldner ist Bestandgeber
Ist der Schuldner Bestandgeber, bleibt der Bestandvertrag von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt und wird – wie im Fall des schuldnerischen Bestandnehmers – mit der Insolvenzmasse fortgesetzt. Die Insolvenzmasse tritt in den Bestandvertrag ein und übernimmt die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten.
In diesem Fall steht dem Insolvenzverwalter kein besonderes insolvenzrechtliches Kündigungsrecht zu; auch ein Rücktritt ist nicht vorgesehen. Eine Kündigung ist nur unter den allgemeinen Voraussetzungen zulässig, also bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes, der auch ohne Insolvenz gegeben wäre. Durch die Fortsetzung des Bestandverhältnisses werden die Interessen der Beteiligten typischerweise nicht beeinträchtigt: Aus Sicht des Bestandnehmers besteht in der Regel keine Gefahr, dass sein Anspruch auf weitere Gebrauchsüberlassung durch die Insolvenz vereitelt wird. Sollte dies doch der Fall sein, kann sich der Bestandnehmer auf die Beendigungsmöglichkeit nach § 1117 ABGB stützen. Die Insolvenzmasse erhält im Gegenzug weiterhin die Bestandzinse.
Veräußerung der Bestandsache im Insolvenzverfahren
Bestandsobjekte werden im Insolvenzverfahren häufig veräußert. Im Grundbuch eingetragene Bestandrechte werden wie Dienstbarkeiten behandelt. Dienstbarkeiten, die im Rang vor dem Befriedigungsrecht eines betreibenden Gläubigers oder einem eingetragenen Pfandrecht liegen, sind vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Nachrangige Lasten sind nur insoweit zu übernehmen, als sie nach ihrer Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden.
Ein zu übernehmendes Bestandrecht hat der Ersteher bis zum vertraglich vereinbarten Ende zu dulden. Soweit ein Bestandrecht nur unter Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen ist und im Meistbot keine Deckung findet, steht dem Ersteher ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. An die Stelle des verbücherten Bestandrechts tritt in diesem Fall der Entschädigungsanspruch des Bestandnehmers; dieser Schadenersatzanspruch ist als Insolvenzforderung zu behandeln.
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