Kommissionsvorschlag für EU-Lieferkettengesetz

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Am 23. Februar dieses Jahres legte die EU-Kommission ihren Vorschlag für das sogenannte „EU-Lieferkettengesetz“ (Directive on Corporate Sustainability Due Diligence) vor. Seit dessen Veröffentlichung ist er das Thema zahlreicher Diskussionen, vor allem in Wirtschaft und Forschung.

 

Anlass für das Lieferkettengesetz waren Ereignisse wie der Einsturz des Fabrikgebäudes „Rana Plaza" in Bangladesch, die massive Umweltverschmutzung im Niger Delta auf Grund von undichten Erdöl-Rohren, oder auch die immer wiederkehrenden Fälle von Kinderarbeit auf Kakaoplantagen.

 

„Diese Fälle haben gemeinsam, dass es zu Menschenrechtsverletzungen kam und die Opfer kaum Möglichkeiten hatten, Schadenersatz zu erlangen. Daher wurden die Rufe nach Regulierungen für Unternehmen und dem Zugang zu Entschädigungszahlungen für Betroffene vor den Gerichten des Staates des verantwortlichen Mutterkonzerns immer lauter. Der Entwurf der Richtlinie der EU-Kommission ist das erste Rechtsinstrument seiner Art auf EU-Ebene“, erklärt Dr. Peter Wagesreiter.

 

Druck der Märkte in Richtung nachhaltiges Handeln

Immer mehr EU-Unternehmen nutzen die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht in der Wertschöpfungskette als Instrument zur Ermittlung von Risiken und zur Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen wirtschaftlichen und umweltbedingten Risiken. Gleichzeitig beugen sie sich so dem zunehmenden Druck der Märkte, nachhaltig zu handeln. Die Erfüllung aller Sorgfaltspflichten bezweckt außerdem die Vermeidung unerwünschter Reputationsrisiken gegenüber Verbrauchern und Anlegern, in deren Bewusstsein Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr an Bedeutung gewinnen.

 

Der Vorschlag soll einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele, wie den Übergang zu einer klimaneutralen und grünen Wirtschaft leisten und steht dabei auch im Einklang mit den bisherigen Regelungen der EU auf diesem Gebiet, wie etwa der Taxonomie-Verordnung.

 

„Bemerkenswert ist, dass die Richtlinie zwar grundsätzlich für alle großen Unternehmen aller Sektoren und sowohl für EU- als auch Drittstaatsunternehmen gelten soll. Also neben Kapitalgesellschaften auch regulierte Finanzunternehmen und Versicherungsunternehmen, wie u.a. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Kryptodienstleister. Die geforderten Größenkriterien stellen aber gleichzeitig einen der größten Kritikpunkte dar.“, so Wagesreiter.

 

Haftung bei nachteiligen Auswirkungen auf Umwelt- und Menschenrechte

Einerseits werden Sorgfaltspflichten in Bezug auf negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt, andererseits Haftungen bei Verstößen gegen diese Vorschriften festgelegt.

 

Als Voraussetzung für eine Haftung ist vorgesehen, dass durch eine Nichteinhaltung der benannten Sorgfaltspflichten nachteilige Umwelt – und Menschrechtsauswirkungen entstanden sind, welche bei Beachtung der Sorgfaltspflichten erkannt, vermieden oder in ihrem Ausmaß verringert werden hätten müssen und dabei ein Schaden entstand. 

 

„Es soll für indirekte Geschäftspartner ein abgeschwächter Haftungsmaßstab gelten, soweit die Pflichten hinsichtlich der vertraglichen Umsetzung der Sorgfaltspflichten erfüllt wurden. Dieser neue zivilrechtliche Haftungsbestand bedarf der Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten, was sicherlich Raum für Diskussion bieten wird“, so Wagesreiter.

 

Neben den Unternehmen werden aber auch die Mitglieder der Unternehmensleitung in die Pflicht genommen. Sie sollen dazu verpflichtet werden, bei ihren Entscheidungen neben rein wirtschaftlichen Faktoren auch Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Dies soll zur Verbindlichkeit von menschenrechts-, klima- und umweltpolitischen Zielsetzungen führt.

 

Verpflichtungen erstrecken sich auf Zulieferbetriebe und Geschäftspartner und erweitern den Radius der betroffenen Unternehmen

Das Lieferkettengesetz betrifft vorrangig große Unternehmen, das sind solche mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. ln manchen Hochrisikobereichen (Textiles, Landwirtschaft und Rohstoffe) sind Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro erfasst. Damit erfasst der vorliegende Entwurf insgesamt ca. 13.000 EU-Unternehmen, das sind lediglich 0,2 der EU-Unternehmen bzw. bloß 0,05 % der österreichischen Unternehmen.

 

„Die Koppelung der beiden Faktoren - Unternehmensgröße und Umsatzhöhe - engt den Anwendungskreis der Richtlinie stark ein. Es ist aber zu bedenken, dass durch das Weiterreichen der Verpflichtungen auf Zulieferbetriebe und Geschäftspartner der Radius der betroffenen Unternehmen erweitert wird“, warnt Dr. Peter Wagesreiter.

 

Auch bei der Haftung könnte noch nachgeschärft werden. Der Entwurf sieht einen de facto Haftungsausschluss für Verfehlungen in der Lieferkette vor, solange die verpflichteten Unternehmen von der Kommission publizierte Musterklauseln in ihre Lieferantenverträge aufnehmen und extern prüfen lassen.

 

Außerdem soll die Einführung einer Haftungsregelung den Opfern von Menschenrechtsverletzungen einen effektiven Zugang zu Schadenersatz ermöglichen. Doch auch hierin liegt eine Schwachstelle des Entwurfs, denn solche transnationalen Verfahren sind und bleiben teuer, langwierig und komplex und daher für die von den Menschenrechtsverletzungen Betroffenen in den wenigsten Fällen praktikabel. Fälle der Vergangenheit zeigen, dass Verfahren oft nach Jahren an formalen Erfordernissen scheitern.

 

Der Entwurf sieht zudem vor, dass sehr große Unternehmen einen Klimaplan vorlegen müssen, der das Ziel der Beschränkung des Klimawandels auf 1,5 °C gemäß Pariser Übereinkommen berücksichtigt und gegebenenfalls Pläne zur Emissionsreduktion vorsieht. Konsequenzen bei der Nichtvorlage eines Klimaplans beziehungsweise der Vorlage eines inhaltlich mangelhaften Plans sind jedoch nicht vorgesehen, was Zweifel an der Effektivität der Regelung aufkommen lässt.

 

Umsetzung

Wie eingangs erwähnt hat die Kommission am 23. Februar dieses Jahres den Entwurf vorgestellt. Zu einem Beschluss im Rat und im EP ist es noch nicht gekommen. Aufgrund der zahlreichen Kritik und der Gesetzgebungsstruktur der EU ist mit einem Inkrafttreten frühestens 2023 zu rechnen. Die nationale Umsetzungsfrist beträgt dabei betreffend die Unternehmen nach den normalen Größenkriterien zwei Jahre und für die Unternehmen in den Risikosektoren vier Jahre.