Die Zeit drängt: Umstieg in das neue Gehaltssystem des KV Handel

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Seit 2017 gibt es im Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben (KV Handel) ein neues Gehaltssystem. Durch dieses wird das bisherige, die letzten 45 Jahre geltende, System abgelöst, sodass alle Handelsangestellten mit dem Stichtag 1.1.2022 ausnahmslos vom neuen System erfasst werden. Vor allem für Betriebe, die vor dem 1.12.2017 gegründet wurden, besteht Handlungsbedarf. Für die Angestellten von nach diesem Zeitpunkt gegründeten Betrieben, gilt bereits ab ihrer Gründung das neue Gehaltsschema.

 

Was wird sich ändern? Neuerungen gegenüber dem alten Gehaltssystem


Zunächst wird die aktuell noch geltende Einteilung in sechs Geschäftsgruppen um zwei Gruppen erweitert, sodass es im neuen Gehaltssystem acht Beschäftigungsgruppen (BG A bis BG H) geben wird. Jede:r Angestellte ist entsprechend der Tätigkeit in eine dieser Gruppen einzuordnen.


In den Beschäftigungsgruppen wird wiederum unterschieden zwischen Fachlaufbahn und Führungslaufbahn. Die Bewertungskriterien der Fachlaufbahn sind für alle Beschäftigungsgruppen genau beschrieben, beispielhaft sind zu nennen: „Selbständiges Arbeiten“, „Verantwortung“ oder „Qualifikationserfordernisse“.

 

Die unterschiedlichen Tätigkeiten im Handel werden im neuen Gehaltssystem in sogenannte „Arbeitswelten“ wie folgt eingeteilt:

 

  • Einkauf
  • Verkauf und Vertrieb
  • Marketing und Kommunikation
  • Kaufmännische und administrative Dienst-leistungen
  • Logistik
  • Technischer Dienst
  • IT

 

Diesen Sparten sind in den individuellen Beschäftigungsgruppen wiederum „Referenzfunktionen“ zugeordnet, die im Anhang 10 des Kollektivvertrags enthalten sind und als Anhaltspunkt bei der Einstufung dienen sollen. Letztendlich entscheidend für die Einstufung, ist aber die Tätigkeit der einzelnen Angestellten im Sinne einer Gesamtbetrachtung.


Eine Spezialregelung ist für den Bereich „Verkauf und Vertrieb“ vorgesehen. Hier dient ein „Baukastensystem“ der besseren Abgrenzbarkeit der Beschäftigungsgruppen C bis E und der leichteren Einordnung im Fall von Mischtätigkeiten.

 

Der von dieser Neuregelung verfolgte Zweck ist vorrangig die erhöhte Rechtssicherheit und Transparenz für die Angestellten. Dies soll durch die sehr genauen Beschreibungen der Aufgaben sichergestellt werden. Daraus folgt wiederum ein weitaus geringeres Risiko einer Unterentlohnung und daraus resultierende Ansprüche auf Nachforderung an die Arbeitgeber:innen.


Jedoch sind im neuen System nicht nur neue Beschäftigungsgruppen enthalten, sondern auch eine neue Gehaltstabelle. Hierbei handelt es sich um eine einheitliche Gehaltstafel für das ganze Bundesgebiet. Das alte System kannte acht Gehaltstafeln und zwei Gehaltsgebiete. Das neue System enthält in Beschäftigungsgruppe C-H jeweils fünf Gehaltsstufen mit drei Beschäftigungsgruppenjahren. Das heißt, Angestellte verbleiben drei Jahre in einer Gehaltsstufe und durchläufen höchstens vier kollektivvertragliche Gehaltssprünge innerhalb derselben Beschäftigungsgruppe.

 

Anrechnung von Vordienstzeiten


Bei der Einstufung von neuen Mitarbeitern:innen sind zukünftig maximal sieben Vordienstjahre anzurechnen, statt wie bisher 18 Jahre. Dies soll zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung und Leistbarkeit von erfahrenen Angestellten beitragen. Für Verkauf und Vertrieb gibt es hier wieder eine Ausnahme, insoweit als ein weiteres Jahr als Vordienstzeit anzurechnen ist.


Im Hinblick auf die anrechenbaren Tätigkeiten gibt es wesentliche Änderungen. Zu berücksichtigen sind solche im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses, selbständiger Tätigkeit, eines freien Dienstverhältnisses und im öffentlichen Dienst. Darüber hinaus sind Vordienstzeiten als Arbeiter:in zur Hälfte und Zeiten von Präsenz- oder Zivildienst gänzlich anzurechnen. Elternkarenzurlaube und Kinderbetreuungszeiten sind im Ausmaß von maximal 24 Monaten anzurechnen.

 

Formvorschriften für All-In-Verträge


Vor dem Umstieg ist es unerlässlich, die bestehenden Arbeitsverträge auf deren Übereinstimmung mit dem Gesetz und dem Kollektivvertrag hin zu prüfen. Insbesondere bei seit längerer Zeit bestehenden Verträgen ist sicherzustellen, ob sie den Transparenzkriterien standhalten. Mit dem Umstieg in das neue Gehaltssystem sind in All-In-Verträgen als Entgeltbestandteile auszuweisen: das Grundgehalt für die Normalarbeitszeit, die betragsmäßige Höhe der All-In-Pauschale und die Entgeltbestandteile, die mit dieser Pauschale abgedeckt werden, sowie ob mit der Pauschale auch Überstunden an Sonn- und Feiertagen abgegolten werden und ob allfällige Provisionen zur Deckung von Ansprüchen herbeigezogen werden.
Ein Muster für All-In-Vereinbarungen und Umstiegsdienstzettel findet sich im Anhang des Kollektivvertrags.

 

Der Umstieg: Step by Step


Vorweg zu beachten ist, dass die Arbeitnehmer:innen durch den Umstieg nicht schlechter gestellt werden dürfen. Für den Fall, dass sich bei der Umstufung ein neues, niedrigeres kollektivvertraglichen Mindestentgelt ergeben würde, darf das monatliche Bruttogehalt nicht gekürzt werden.
Weiters zu beachten sind im Wesentlichen die folgenden Punkte:

  1. Einholen von Informationen zum Umstieg und zum neuen Kollektivvertrag.
  2. Analyse von Gehältern und Einstufungen im alten KV, Überprüfung auf Richtigkeit.
  3. Festlegung des Umstiegsstichtages (wenn ein Betriebsrat vorhanden ist durch Betriebsver-einbarung, sonst durch den Arbeitgeber) und Information der Arbeitnehmer:innen spätestens drei Monate vor dem Umstieg. Für den Umstieg sind viele administrative Schritte zu bedenken, die Wahl des Umstiegsstichtages sollte gut überlegt sein, eine entsprechende Vorlaufzeit muss einkalkuliert werden.
  4. Information der Beschäftigten (mind. drei Monate vor Umstieg).
  5. Übermittlung des Umstiegsstichtages an Sozialpartner.
  6. Einstufung aller Handelsangestellten in das NEUE Gehaltssystem.
  7. Erstellung von Umstiegsdienstzetteln mit Informationen zur Einstufung, dem Mindestgehalt etc. Die Dienstzettel müssen spätestens vier Wochen vor Umstieg an die Mitarbeiter:innen abgegeben werden.
  8. Information und Schulung von Führungskräften.
  9. Umstieg zum gewählten Stichtag.
  10. Anpassung der Lohnverrechnungssysteme.
  11. Durchführung von Deckungsprüfungen.

 

Unsere Expertinnen und Experten stehen Ihnen bei rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben und weiteren arbeitsrechtlichen Fragen beratend zur Seite.