Rechtsprechung: Überholen auf Mountainbikestrecken

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Überholen auf Mountainbikestrecken folgt den Regeln der StVO

 

Mit der Entscheidung 2 Ob 166/22h bestätigte der Oberste Gerichtshof die durch das LG Wr. Neustadt als Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Anwendbarkeit der StVO auf einer als Mountainbikestrecke freigegebenen Forststraße. Ein Seitenabstand von 60 - 70 cm beim Überholen auf einer abschüssigen Forststraße ist im vorliegenden Fall zu gering.

 

Anlassgebend war ein Fahrradunfall zwischen einem Mountainbiker und einem E-Biker im Frühjahr 2020 auf einer für das Mountainbiken freigegebenen Forststraße. Aufgrund eines zu geringen Abstands seitens des überholenden E-Bikers und einer Seitwärtsbewegung des Mountainbikers kam es zu einer Kollision der beiden Radfahrer. Der Kläger (Mountainbiker) forderte Schadenersatz, da der Beklagte (E-Biker) gegen die entsprechenden Sorgfaltsnormen verstoßen habe.

Der Erstgericht wies das Klagebegehren zunächst ab, da es ein Verschulden des Beklagten nicht feststellen konnte.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Klägers. Das Berufungsgericht, gab der Berufung im Sinne der vom Kläger begehrten Feststellungen statt, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht erklärte zudem den Revisionsrekurs gegen diesen Beschluss für zulässig, da der OGH sich noch nicht zu den erforderlichen Sicherungsmaßnahmen beim Überholen auf einer Mountainbikestrecke geäußert habe. Der OGH wies den Rekurs des Beklagten, der sich in seiner Rekursschrift jedoch nicht auf diesen Punkt bezog, zurück.

 

Anwendbarkeit der StVO

Gleichzeitig bestätigte der OGH in seinem Beschluss die getroffenen rechtlichen Beurteilungen des Berufungsgerichts und nahm auf die Anwendbarkeit der StVO und insbesondere jener Bestimmungen, die sich mit dem sicheren Überholen befassen (§§ 15, 22 StVO), Bezug.

Der Unfall ereignete sich auf einer für den Mountainbikeverkehr freigegebenen Forststraße. Die StVO gilt für alle Straßen mit öffentlichem Verkehr, das sind solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen genützt werden können, auch wenn dies auf bestimmte Personengruppen, wie etwa Mountainbiker, beschränkt ist.

Das Mountainbiken auf einer dazu bestimmten Strecke unterliegt im Vergleich zum normalen Straßenradfahren einigen Besonderheiten.

 

Abstand beim Überholen

Nach § 15 Abs 4 StVO ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten. Nach der Judikatur lässt sich eine allgemeine Regel über die Größe dieses Sicherheitsabstands nicht aufstellen. Sie ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entsprechend der gefahrenen Geschwindigkeiten und der Art des überholten Fahrzeugs festzulegen. Für das Mountainbiken ist bei der Wahl der Fahrspur auf etwaige Hindernisse, wie etwa Schotter oder Äste, Bedacht zu nehmen, die ein plötzliches Auslenken aus der Spur erfordern können und daher auch einen entsprechend höheren Seitenabstand verlangen. Nach der Rechtsprechung muss beim Überholen eines Fahrrads wegen seiner Labilität immer mit Schwankungen (bzw. einer leicht pendelnden Fahrlinie) gerechnet werden. Im konkreten Fall erachtete das Berufungsgericht einen Abstand von 60 bis 70 cm beim Überholen als zu gering, was der OGH bestätigte.

Das Berufungsgericht stellte zudem fest, dass da der Beklagte mit einem E-Bike unterwegs war, dieser aufgrund der größeren Masse und höheren Geschwindigkeit des E-Bikes, zu entsprechend höheren Vorsichtsmaßnahmen verpflichtet gewesen wäre.

 

Notwendigkeit von Warnsignalen beim Überholen

Die §§ 15 Abs 3, 22 StVO verpflichten den Lenker eines überholenden Fahrzeuges, einen bevorstehenden Überholvorgang durch Abgabe von Warnsignalen rechtzeitig anzuzeigen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert. Wird die Vermutung erweckt, dass der Lenker des überholten Fahrrads während des Überholmanövers in die Spur des überholenden Fahrzeugs gelangen könnte, muss mit diesem Kontakt hergestellt werden, zum Beispiel durch Abgabe von akustischen Warnzeichen.