Lieferverzögerungen/ Lieferschwierigkeiten aufgrund der Coronakrise

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Durch die mittlerweile weltweite Coronakrise ergibt sich im Hinblick auf behördliche Maßnahmen, wie etwa die Anordnung einer Betriebsschließung oder Quarantänemaßnahmen genauso wie aufgrund des Ausfalls von Arbeitskräften und notwendigen Betriebsmitteln vielerorts die Frage, wie mit Lieferverzögerungen und Lieferschwierigkeiten umzugehen ist. Nachstehend dürfen wir Ihnen einen Überblick über die wesentlichen Punkte verschaffen. 

 

 

Höhere Gewalt / Force Majeure

 

Der Auftragnehmer kann sich im Falle des Verzugs der vertraglich geschuldeten Leistung grundsätzlich nur dann auf höhere Gewalt berufen, wenn diese kausal für den Leistungsverzug war. Zudem wird vom OGH „äußerste zumutbare Sorgfalt“ des Auftragnehmers verlangt, um den Verzug trotz dem Vorliegen höherer Gewalt zu verhindern. 

 

Höhere Gewalt wird nach herrschender Meinung definiert als ein von außen einwirkendes elementares Ereignis, das auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war, und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist. Beispiele höherer Gewalt sind plötzlich einsetzende Kriege, Naturkatastrophen, Epidemien und Hochwasser. Im Jahr 2005 hat der OGH den Ausbruch der Infektionskrankheit SARS (=Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) als Tatbestand der höheren Gewalt beurteilt. Das SARS ist eine Vorgängererkrankung des Coronavirus und liegt es nahe, dass auch SARS-CoV-2 (COVID 19) wieder einen Fall von höherer Gewalt darstellt. 

 

Vom Auftragnehmer wird indes verlangt, sämtliche ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um den Eintritt des Leistungsverzugs zu verhindern. So sind beispielsweise Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu treffen (Bereitstellung von Desinfektionsmittel, Möglichkeit von Home-Office-Arbeit etc.), um einen Ausfall von Arbeitskräften zu verhindern. Welche Maßnahmen dem Auftragnehmer konkret zumutbar sind, um den Leistungsverzug zu verhindern, wird immer im Einzelfall zu prüfen und demnach zu beurteilen sein, ob das Auftreten des Virus die Leistungserbringung verhindert oder verzögert hat und ob der Schuldner die Möglichkeit gehabt hätte, den Eintritt zu verhindern. 

 

Ob ein konkreter Ausfall ein Force Majeure Fall ist oder nicht, hat weitreichende Folgen für den Auftragnehmer, insbesondere hinsichtlich allfälliger Schadenersatzforderungen des Auftraggebers.

 

Objektiver und Subjektiver Leistungsverzug

 

Vom Leistungsverzug spricht man generell dann, wenn ein Vertrag von einer der Vertragsparteien nicht zur vereinbarten Zeit, am vereinbarten Ort oder nicht im vereinbarten Ausmaß erfüllt wird. Das Österreichische Recht unterscheidet dabei zwischen objektivem und subjektivem Verzug. Objektiver Verzug liegt vor, wenn der Schuldner der Leistung ohne eigenes Verschulden, also beispielsweise aufgrund höherer Gewalt, seinen Vertragsverpflichtungen nicht (ordnungsgemäß) nachkommen kann. Dahingegen liegt subjektiver Verzug vor, wenn den Schuldner der Leistung ein Verschulden am Verzug trifft bzw. den Verzug zu vertreten hat. 

 

In Bezug auf die Coronakrise ist zu unterscheiden, ob es zu Lieferverzögerungen aufgrund behördlicher Anordnungen (z.B. Betriebsschließungen oder wegen eines Arbeitskräftemangels aufgrund von Quarantänemaßnahmen) oder aufgrund von behördlich nicht (zwingend) angeordneten Vorsichtsmaßnahmen kommt. Es ist davon auszugehen, dass Lieferverzögerungen aufgrund von behördlichen Anordnungen regelmäßig in die objektive Sphäre fallen werden, wohingegen Lieferverzögerungen aufgrund von Vorsichtsmaßnahmen ohne behördliche Anordnungen im Einzelfall auch einen subjektiven Schuldnerverzug darstellen können. In jedem Fall wird der konkrete Grund für die Lieferverzögerung ebenso wie die Frage, ob vom Schuldner ausreichende Maßnahmen ergriffen wurden, um drohende Schäden (für den Vertragspartner) abzuwenden, im Einzelfall zu prüfen sein. 

 

Rücktrittsrechte und Schadenersatz

 

Sofern vertraglich nichts Anderweitiges vorgesehen wurde, hat der Auftraggeber beim objektiven Verzug ein Wahlrecht am Vertrag festzuhalten oder vom Vertrag zurückzutreten (nach Setzung einer angemessenen Nachfrist). Die Setzung der Nachfrist soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, eine zweite Chance zu erhalten, den Vertrag doch noch zu erfüllen. Eine Frist ist dann angemessen, wenn dem Auftragnehmer zumindest die Möglichkeit gegeben wird, innerhalb dieser Frist seiner Leistungsverpflichtung nachzukommen. Bei der Bemessung der Angemessenheit ist auf die Art und den Umfang der Leistung abzustellen und wie dringend die Leistungserbringung für den Auftraggeber ist. In Bezug auf das Coronavirus kann aktuell noch nicht abgeschätzt werden, wie lange die Coronakrise andauern wird und welche Folgen sich daraus konkret ergeben. Aus diesem Grund wird momentan die Setzung einer großzügigen Nachfrist erforderlich sein. Welche Nachfrist konkret „angemessen“ ist, bleibt jedoch immer eine Einzelfallbeurteilung. 

 

Nach Setzung einer angemessenen Nachfrist kann das Rücktrittsrecht grundsätzlich und, sofern nichts anderes vertraglich vereinbart wurde, formfrei ausgeübt werden. Es empfiehlt sich jedoch zu Dokumentierungszwecken, den Vertragsrücktritt schriftlich zu erklären. Wird das Rücktrittsrecht ausgeübt, so wirkt die Vertragsauflösung ex nunc und sind bereits erbrachte Leistungen herauszugeben bzw. zurückzustellen. Der Anspruch auf Rückübereignung ist dabei aber ein rein schuldrechtlicher, das sachenrechtliche Eigentum bleibt durch den Rücktritt unverändert. 

 

Beim subjektiven Verzug hat der Auftraggeber, sofern nichts Abweichendes vertraglich vereinbart wurde, neben dem zuvor angeführten Wahlrecht auch einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Auftragnehmer. Der Auftraggeber kann beim subjektiven Verzug also darauf bestehen, dass der Vertrag vom Auftragnehmer (allenfalls verspätet) erfüllt wird. Sollten dem Auftraggeber Nachteile aufgrund der verspäteten Lieferung entstehen (insbesondere zusätzliche Kosten), kann er vom Auftragnehmer den Verspätungsschaden begehren. Darunter versteht man den Ersatz aller Nachteile, die dem Auftraggeber durch die Verspätung der Leistung entstanden sind, wie beispielsweise Ertragsausfälle oder Kosten für die Miete einer Ersatzmaschine oder einer Ersatzlokation. Anders als beim Rücktritt, kann der Auftraggeber jedoch keinen Differenzanspruch begehren, wie zum Beispiel den höheren Preis eines Deckungsgeschäfts. Bei Geschäften zwischen Unternehmern fällt generell auch der entgangene Gewinn unter den zu ersetzenden Schaden, während die Regelungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches für die Geltendmachung eines solchen Schadens grobes Verschulden voraussetzen. Wird der Vertrag nicht erfüllt, steht dem Auftraggeber Schadenersatz wegen Nichterfüllung (Erfüllungsinteresse) zu. 

 

Teilerfüllung

 

Eine weitere Möglichkeit in diesem Zusammenhang kann die Teilerfüllung eines Vertrags bzw. ein Teilverzug des Schuldners (Auftragnehmers) sein. Ist eine (Gesamt-)Leistung für beide Vertragsparteien unteilbar, so hat der Auftraggeber nach den gesetzlichen Regelungen grundsätzlich das Recht, vom gesamten Vertrag zurückzutreten. Hingegen steht bei einer Teilbarkeit der Gesamtleistung lediglich das Recht auf Teilrücktritt zu. Üblicherweise ist eine Leistung dann teilbar, wenn die Vertragsparteien den Vertrag auch über einen Teil der Leistung gegen entsprechend geringere Gegenleistung, aber sonst gleichen Bedingungen geschlossen hätten. Ob eine konkrete Gesamtleistung teilbar oder unteilbar ist, ist im Einzelfall nach dem Parteiwillen zu beurteilen.

 

Fixgeschäfte

 

Wurde bereits im Vertragsabschluss vereinbart, dass im Falle einer Verspätung der Rücktritt erklärt werden kann, handelt es sich üblicherweise um ein sogenanntes Fixgeschäft. Auch Geschäfte, bei welchen der Zweck des Vertrags erkennen lässt, dass bei Verspätung kein Interesse auf Vertragserfüllung mehr besteht, sind Fixgeschäfte.

 

Im Verzugsfall bei Fixgeschäften ist der Auftraggeber grundsätzlich – soweit nichts anderes vereinbart wurde und unabhängig vom Verschulden des Vertragspartners – berechtigt, sofort und ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurückzutreten. Im Einzelfall muss jedoch nicht nur unterschieden werden, ob ein Fixgeschäft vorliegt oder nicht, sondern auch, ob es sich um ein absolutes oder relatives Fixgeschäft – je nachdem, ob das Bestehen auf Erfüllung zu einem anderen Zeitpunkt als völlig ausgeschlossen betrachtet werden kann – handelt. Für die Rechtsfolgen ist weiters relevant, ob der Auftraggeber angezeigt hat, dass die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden soll (Erfüllungsbegehren). Besteht der Auftraggeber bei relativen Fixgeschäften auf Erfüllung, so kann er üblicherweise den Ersatz des Verspätungsschadens geltend machen, der Vertrag bleibt aber aufrecht.

 

Vertragliche Vereinbarungen

 

Die vorstehend dargelegten gesetzlichen Regelungen kommen nur insoweit zur Anwendung, als nicht vertraglich etwas anderes vereinbart wurde. Insofern ist im Einzelfall zu prüfen, welche konkrete Vereinbarung getroffen wurde. Neben den abgeschlossenen Verträgen müssen jedenfalls auch die zur Anwendung gelangenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen geprüft werden, da solche regelmäßig sogenannte „Force Majeure“-Klauseln enthalten. Auf Basis der jeweiligen vertraglichen Regelung können zum Beispiel der Entfall von Leistungspflichten oder Vertragsstrafen bei Leistungsverzug vorgesehen werden. 

 

Im Einzelfall muss auch geprüft werden, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehenen „Force-Majeure“-Klauseln überhaupt gänzlich oder nur teilweise rechtswirksam und durchsetzbar sind. Beispielsweise sind bei Verbrauchergeschäften Regelungen, welche den Entfall von Leistungspflichten oder Vertragsstrafen zu Lasten des Verbrauchers vorsehen, im Regelfall unwirksam. 

 

Unmöglichkeit der Leistungserbringung

 

Einen Sonderfall stellt die Unmöglichkeit der Leistungserbringung nach Vertragsabschluss dar (nachträgliche Unmöglichkeit). Im Rahmen der Coronakrise hiervon besonders betroffen sind beispielsweise Veranstaltungen, Konzerte und Theateraufführungen. 

 

Unmöglichkeit im juristischen Sinne liegt jedoch nur vor, wenn die Leistungserbringung dauerhaft (und nicht nur vorübergehend) unmöglich ist. Ist die Leistungserbringung zu einem späteren Zeitpunkt (wieder) möglich, liegt im juristischen Sinne keine Unmöglichkeit, sondern Verzug vor. Ist die Leistungserbringung im Einzelfall unmöglich und hat der Auftragnehmer die Unmöglichkeit nicht verschuldet, so hat der Auftragnehmer mangels abweichender Vereinbarung nicht für den dadurch entstandenen Schaden zu haften. Ob konkret eine dauernde (endgültige) Unmöglichkeit oder Verzug vorliegt ist ebenso wie die Frage, ob allenfalls ein Verschulden des Vertragspartners vorliegt, im Einzelfall zu beurteilen.

 

Wegfall der Geschäftsgrundlage

 

Fällt die Geschäftsgrundlage eines Vertrages im Nachhinein weg, so besteht im Wesentlichen die Möglichkeit ohne zusätzliche Kosten vom Vertrag zurückzutreten. Als Beispiel für den Wegfall der Geschäftsgrundlage können exemplarisch Verträge im Zusammenhang mit Reisen genannt werden, wenn es im Zielland der Reise zu einem unerwarteten und unvorhersehbaren Kriegsausbruch kommt. Im Hinblick auf den plötzlichen Ausbruch und die rasche Verbreitung des Coronavirus ist davon auszugehen, dass die Coronakrise in Einzelfällen dazu führt, dass die Geschäftsgrundlage von Verträgen wegfällt. Neben dem Rücktritt vom Vertrag kann der Vertragspartner auch die Anpassung des Vertrags verlangen. 

Ob die Coronakrise im Einzelfall zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führt, hängt davon ab, ob der jeweilige Vertrag trotz Corona-Ausbruch abgeschlossen worden wäre. Eine Anpassung des Vertrages ist dann möglich, wenn beide Parteien in Kenntnis der Coronakrise den Vertrag in einer anderen Form abgeschlossen hätten. Die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages (Aufhebung) ist schon dann gegeben, wenn eine der Parteien den Vertrag nicht in einer anderen Form abgeschlossen hätte. In der Praxis führt diese Frage naturgemäß regelmäßig zu Streitigkeiten und muss im Einzelfall geprüft werden, ob aufgrund einer Vertragsänderung oder eines Vertragsrücktritts Ansprüche auf Schadenersatz bestehen. 

 

Neu abgeschlossene / abzuschließende Verträge

 

Bei Verträgen, die aktuell während der Krise abgeschlossen werden, ist zu beachten, dass das Virus nunmehr (weltweit) bekannt ist und es daher allenfalls nicht mehr möglich sein wird, sich im Rahmen des Coronavirus auf höhere Gewalt zu berufen. Wir empfehlen Ihnen daher, in neu abzuschließenden Verträgen unbedingt eine entsprechende Bestimmung zur Regelung von Verzögerungen aufzunehmen. Auch Mehrkosten und das Preisrisiko sollten aufgrund der Coronakrise in Verträgen geregelt werden.